Bedrohtes Idyll

Pflegeeinrichtungen Schloss Meerholz fürchten massive Einschränkungen durch geplante Omegabrücke und Umgestaltung der Ortsdurchfahrt

GNZ 18.8.2023 Gelnhausen-Meerholz (mab). Trotz Alter und Pflegebedürftigkeit Teil der Ortsgemeinschaft sein – für die Bewohner im Schloss Meerholz ist genau dies möglich. Durch die geplante Umgestaltung der Liebloser Straße und den Bau der Omegabrücke am Eingang von Hailer und Meerholz befürchtet die Pflegeeinrichtung drastische Einschränkungen.


Das Schloss im öffentlich zugänglichen Außengelände und das Haus im Park (rechts), das Anfang des kommenden Jahres ausgebaut wird. Fotos: Abel

Eine ältere Frau sitzt täglich an der Bushaltestelle, lächelt den Kindern zu, spricht mit den Passanten. Eine andere Seniorin wartet regelmäßig auf einen Paketlieferanten an der Hanauer Landstraße. Wenn er kommt, bringt sie ihm ein Eis und kommt jedes Mal strahlend zurück. Nur zwei von vielen Beispielen für die besondere Situation in den Pflegeeinrichtungen Schloss Meerholz. „Es geht darum, alte und pflegebedürftige Menschen nicht an den Rand zu drängen, ihnen Begegnungen mit anderen Menschen im Ort, also echte Teilhabe zu ermöglichen“, sagt Geschäftsführerin Andrea Behrens. „Deshalb haben wir uns bewusst für ein offenes Konzept entschieden.“

Das bedeutet auch, dass der idyllische Schlosspark nicht nur für die knapp 200 Bewohner, sondern auch für die Öffentlichkeit jederzeit zugänglich ist und nicht selten auch für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden kann. Dass so häufig Probleme mit Müll und Vandalismus entstehen, nehmen die Pflegeeinrichtungen dabei bewusst in Kauf. „Im Grunde profitieren alle von dieser Situation“, sagt Behrens. „Die Anwohner nutzen die Anlage. Wenn einer unserer Bewohner einmal nicht zurückfindet, helfen sie uns. Es hat sich eine schöne Gemeinschaft entwickelt.“

Verkehrssituation schon heute angespannt

Und genau diese Entwicklung sieht die Geschäftsführerin durch die geplante Errichtung der Omegabrücke und die damit verbundene Umgestaltung der Ortsdurchfahrt bedroht. Schon jetzt ist der starke Verkehr auf der Hanauer Landstraße ein Problem für die Einrichtung der Inneren Mission Frankfurt. „Zu den Stoßzeiten können unsere Zulieferer kaum auf unser Gelände fahren. Auch wir haben Probleme, das Grundstück zu verlassen. Zu den anderen Zeiten wird gerast.“ Eine gefährliche Situation für die Bewohner und ihre Angehörigen, wenn diese zwischen dem Schloss und den Dependancen unterwegs sind. Denn die Pflegeeinrichtungen sind dezentral aufgebaut, ein Umstand, der die Probleme verschärft. Während das Schloss etwas von der Ortsdurchfahrt zurückspringt, liegen das Haus Wichern und das Haus Ysenburg unmittelbar an den Hauptverkehrsachsen.

Bereits 2019 hatte die Einrichtungsleitung eine Geschwindigkeitsreduzierung im Schlossbereich gefordert. Allerdings ohne Erfolg. Wenn der Main-Kinzig-Kreis wie geplant die Omegabrücke als Ersatz für den schienengleichen Bahnübergang am Ortseingang, der im Oktober geschlossen wird, errichtet, fürchtet Behrens massive Auswirkungen auf den Betrieb der Pflegeeinrichtung. „Schon jetzt müssen die Fenster zur Straße im Haus Wichern meist geschlossen bleiben, weil der Verkehrslärm zu laut ist. Laut Planunterlagen wird sich der Verkehr nach Fertigstellung der Brücke mehr als verdoppeln.“

Wir könnten kaum noch lüften“

Zwar werde der Verkehr auf der Liebloser Straße in Richtung Gründau dann besser fließen. „Dafür werden aber auch mehr Autos und Lastwagen angezogen.“ Und: „Die beiden neuen Ampeln und Abbiegerspuren von der Ortsdurchfahrt auf die Kreisstraße 904 werden dazu führen, dass sich der Verkehr auf der Hanauer Landstraße staut.“ Die Folge wäre eine deutlich höhere Abgasbelastung. Außerdem wird es zu deutlich mehr Lärm vonseiten der neuen Brücke kommen. „Davon werden auch die Bewohner in unserer Kernanlage betroffen sein. Die Terrassen sind auf den Standort der geplanten Brücke ausgerichtet“, sagt Bernhard Noll, Leiter des Technischen Dienstes der Pflegeeinrichtungen. „Wir könnten die Fenster kaum noch öffnen, müssten Klimaanlagen installieren.“

Auch der Schlosspark, in dem an schönen Tagen bis zu 150 Besucher unterwegs sind, der Rundgang um den Schlossteich und die Fischerhütte, die oft für Veranstaltungen genutzt wird, würden laut Noll unter dem Lärm und den Abgasen leiden. Und: Die Straße würde noch weiter an die Schlossmauer heranragen. „Schon heute ist es für die Rettungswagen schwer, auf die K 904 zu gelangen. Bei einer Verdoppelung des Verkehrs würde das ziemlich gefährlich werden“, sagt Noll. Die Notwendigkeit der Brücke und der damit verbundenen Umgestaltung der Ortsdurchfahrt leuchten ihm nicht ein. „Es gibt zwei Autobahnanschlüsse, es braucht keine drei Minuten von Hailer zur A 66. Wir brauchen keinen dritten 
Anschluss, der die Situation noch verschärfen würde.“ Dabei verweist er auf die beiden Kreisel in Richtung Niedermittlau, die die angespannte Verkehrssituation beruhigen sollen. „Wie man auf den Gedanken kommt, hier würde mit einer neuen Kreuzung alles reibungslos laufen, kann ich mir nicht erklären.“

Einrichtung hat Anwalt eingeschaltet

Um gegen das Bauvorhaben vorzugehen, hat sich die Pflegeeinrichtung juristischen Beistand geholt und ein Einwendungsschreiben im laufenden Planfeststellungsverfahren verfasst. Doch die Sorge der Geschäftsführung gilt nicht nur dem Zeitpunkt, an dem die Omegabrücke fertiggestellt sein wird, was nach aktuellem Stand 2030 wäre. „Wir fürchten auch die Auswirkungen der Bauarbeiten an der Einmündung auf die K 904“, sagt Hauswirtschaftsleiterin Bettina Stadtländer. Denn die wird mit starkem Lärm verbunden sein. „Anwohner sollen die Möglichkeit haben, für einen gewissen Zeitraum in Hotels auszuweichen. Wir betreuen Menschen mit Pflegegraden von 2 bis 5, die können nicht einfach mal umziehen. Bei den ganzen Planungen hat keiner an uns gedacht“, ärgert sich Stadtländer. Sollte das Projekt realisiert werden, stellt die Einrichtung klare Forderungen. Eine davon: Rettungswagen und Feuerwehr müssen das Schlossgelände jederzeit erreichen können. Eine weitere: „Sobald das Grundwasser absinkt und der Schlossteich leerläuft, müssen die Arbeiten sofort eingestellt werden“, betont Bernhard Noll. „Immerhin geht es um einen Löschteich, und so etwas ist vor einigen Jahren bei einem privaten Bauvorhaben schon einmal geschehen.“

Kollision mit eigenem Bauprojekt befürchtet

Ein weiteres Problem: Spätestens im Februar soll der Startschuss für ein eigenes Bauprojekt der Pflegeeinrichtungen beginnen. Geplant ist, das Haus im Park um eine weitere Etage aufzustocken, um Platz für zwei neue Wohngemeinschaften zu schaffen. Das Erdgeschoss soll für die Betreuung von Menschen mit Demenzerkrankungen ausgebaut werden. „Unsere Baugenehmigung liegt längst vor. Dennoch wurde das Vorhaben bei den Planungen der Omegabrücke überhaupt nicht berücksichtigt“, beklagt Andrea Behrens. „Das Wohl unsere Bewohner sowie die idyllische Umgebung liegen uns sehr am Herzen. Um diese Qualität für unsere Bewohner und Mitarbeiter der Pflegeeinrichtungen Schloss Meerholz weiter zu erhalten, engagieren wir uns in dieser Angelegenheit so intensiv.“


Bettina Stadtländer, Bernhard Noll u. Andreas Behrens (v.li.) präsentieren die Pläne für den Umbau des Hauses am Park

Quelle: GNZ vom 18.8.2023, Fotos: Abel