Eine Straße und ein Hauch von Dada

Nach skurrilem Antrag: Parlamentarier bekennen sich mehrheitlich zur Omegabrücke

Noch ist der Weg aus Meerholz in Richtung Lieblos frei. Wenn es nach einem Großteil der Gelnhäuser Stadtverordneten geht, soll das nach dem Bau der Omegabrücke auch wieder so sein.

Foto: Abel

GNZ 14.10.2023 Gelnhausen-Hailer/Meerholz (mab). Die Gelnhäuser Stadtverordneten haben sich am Mittwoch mehrheitlich für den Bau der Omegabrücke und gegen eine dauerhafte Schließung der Kreisstraße 904 von Meerholz nach Lieblos ausgesprochen. Um die Parlamentarier dazu zu zwingen, Farbe zu bekennen, wählte Markus Wimmer (Gelnhausen plus) ein eher ungewöhnliches Verfahren.

Eine Satirepartei gibt es in Gelnhausen bislang nicht. Immerhin verbreitete Markus Wimmer (Gelnhausen plus) am Mittwoch einen Hauch von Dada in den Reihen der Parlamentarier. Um die Fraktionen zu zwingen, in puncto der geplanten Omegabrücke am Ortseingang von Hailer und Meerholz Farbe zu bekennen, griff er zu einem eher ungewöhnlichen Mittel im Parlament: zur Ironie.

Wimmer: Habe keine Angst, eine Mehrheit zu erhalten

Was war da los? In einem sorgfältig ausgearbeiteten Antrag hatte Wimmer die Stadtverordnetenversammlung aufgefordert, sich für eine dauerhafte Schließung des Bahnübergangs der Kreisstraße 904 in Richtung Lieblos auszusprechen. Demnach sollte der Magistrat beauftragt werden, beim Main-Kinzig-Kreis auf eine Einstellung der Planungen hinzuwirken. Der forciert die Pläne bekanntlich, da durch den Ausbau der Bahnstrecke Hanau–Fulda und die höhere Fahrtgeschwindigkeit der Züge ein schienengleicher Bahnübergang nicht mehr zulässig ist. 2018 hatten die Stadtverordneten mehrheitlich den Grundsatzbeschluss für den Bau der Omegabrücke auf Kosten des Main-Kinzig-Kreises gefasst. Der Widerstand der „Bürgerinitiative für den Erhalt der K 904“ (in ihrer bisherigen Form) und der betroffenen Anwohner gegen das Bauvorhaben ging indes weiter – bis zum heutigen Tag.

Und genau auf diesen Widerstand geht Wimmer in der schriftlichen Begründung seines Antrags ein. „Angesichts der Ablehnung der Omegabrücke durch zahlreiche Anwohnende und der zu erwartenden juristischen Auseinandersetzungen im Laufe der Planungen muss davon ausgegangen werden, dass der Bau ohnehin nicht realisiert wird“, heißt es darin. Und weiter: „Um die mit dem ‚virtuellen‘ Projekt verbundenen Kosten im Rahmen zu halten, ist es sinnvoll, die Planungen einzustellen und die Brücke nicht zu bauen.“

Die weitere Begründung, steht am Ende der Beschlussvorlage, erfolgt mündlich. Und Wimmer hielt, was er versprach, nur, dass die mündliche Begründung auf das genaue Gegenteil des schriftlichen Antrags hinauslief. „Ich bin für den Bau der Brücke“, bekannte er unumwunden. „Nach dem Mehrheitsbeschluss 2018 dachte ich, das Thema wäre für uns abgeschlossen. Die Bürgerinitiative kämpft jedoch weiter gegen das Vorhaben, und das ist ihr gutes Recht. Kein Zeichen einer guten politischen Kultur ist es aber, wenn Stadtverordnete gegen mehrheitlich gefasste Beschlüsse mobil machen“, verwies er auf das Engagement mehrerer Fraktionsmitglieder der Bürger für Gelnhausen in der Initiative. „Es gibt viele Gründe für und gegen das Projekt, aber nur zwei Alternativen: den Bau der Brücke oder das Ende des Meerholzer Landwegs.“ Und warum der Antrag? „Ziel ist es, dass wir heute Farbe bekennen, für oder gegen das Vorhaben. Denn ich sehe die klare Gefahr, dass sich der Streit über das Projekt noch lange hinzieht.“

Unbeantwortet ließ er die Frage, warum er in seinem Antrag den Brückenbau nicht gleich gefordert hatte. Immerhin: „Nach vielen leidvollen Erfahrungen mit den Forderungen von Gelnhausen plus habe ich keine große Angst, dass ich heute eine Mehrheit erhalte.“

Zur Abstimmung gelangte die Beschlussvorlage ohnehin nicht. Der Grund: SPD, CDU und FDP hatten einen weitergehenden Änderungsantrag gestellt, der mit einer Mehrheit von 19 zu 11 Stimmen bei zwei Enthaltungen aus dem „Gelnhausen nachhaltiG“-Lager verabschiedet wurde. Der Änderungsantrag, dem auch Wimmer seine Stimme gab, spricht sich „mit Nachdruck“ für den Erhalt der Bahnüberführung und der Kreisstraße 904 aus.

Litzinger: Kreisstraßen haben einen Zweck

Und dafür sprechen laut FDP-Fraktionschef Kolja Saß gewichtige Gründe: „Die Kreisstraße verbindet Hailer und Meerholz mit dem Stadtteil Roth und dem Gründauer Ortsteil Lieblos und ist somit wichtiger Bestandteil des inner- und interkommunalen Zusammenkommens.“ Durch die Neugestaltung der Bahnüberquerung werde die Verbindung künftig noch komfortabler. „Laufende Motoren und lange Wartezeiten am bestehenden Übergang gehören dann der Vergangenheit an.“ Die Brücke werde weiterhin an die bestehende Allee in Richtung Lieblos angeschlossen, die in ihrer Form erhalten bleibe. „Niemand muss fürchten, dass hier eine LKW-Rennstrecke entsteht.“ Und: „Der Verkehr wird nicht weniger, wenn man die Straße schließt. Er wird nur die Westspange und die Ortsdurchfahrt in Hailer und Meerholz noch stärker belasten. Das heißt: längere Wege, mehr Sprit, mehr Umweltbelastung.“ Etwas knapper schlug Christian Litzinger (CDU) in die gleiche Kerbe: „Die K 904 ist eine Kreisstraße. Und Kreisstraßen haben einen Zweck. Wir brauchen diese Verbindung“.

Klaus Brune (SPD), selbst Meerholzer, sprach sich ebenfalls für die Brücke aus. „Ich habe großen Respekt, vor Bürgern, die für ihre Anliegen kämpfen, aber genau diese Möglichkeit eröffnet ihnen ja das laufende Planfeststellungsverfahren.“ Ein Vorteil aus seiner Sicht: Die Kosten für eine Brücke muss der Kreis tragen, die von der Bürgerinitiative (BI) geforderte kleine Unterführung hätte dagegen die Stadt zahlen müssen.

Eine solche spielt im laufenden Planfeststellungsverfahren aber keine Rolle mehr. Die BI hält zwar weiterhin an ihrer Forderung fest, hat sich aber auch mit der sogenannten Nulllösung, also dem kompletten Verzicht auf die Bahnquerung, angefreundet. Die Omegabrücke lehnt sie weiterhin rigoros ab. Warum das so ist, führte Stadtverordnete Lydia Naunheim (Bürger für Gelnhausen), zugleich Vorsitzende der BI, in einem ausführlichen Redebeitrag aus: Aufgrund der erwarteten Verdopplung des Verkehrs entstehen zwei Ampelanlagen mit jeweiligen Abbiegerspuren von der Ortsdurchfahrt in Meerholz und Hailer auf die Liebloser Straße, für die zwischen neun und zwölf Alleebäume gefällt werden müssen. Staus zu den Hauptverkehrszeiten sind für Naunheim programmiert. Die Liebloser Straße wird auf zehn Meter verbreitert, wofür Grundstückseigentümer enteignet und die Schlossmauer nach innen versetzt werden müssen. Für die komplizierte Auffahrt zur Omegabrücke, in die drei Straßen münden, muss die gesamte Fläche zwischen der versetzten Schlossmauer und der Schallschutzmauer gerodet werden. Für den eigentlichen Bau der 14 Meter breiten und mehr als 800 Meter langen Brücke müssen laut Naunheim mindestens 22 Alleebäume weichen. Größte Sorge der BI ist, dass die bestehende K 904 aufgrund der Zunahme des Verkehrs nicht mehr den geltenden Vorschriften entspricht und eine neue Straße gebaut werden muss – „die dann wegen des Hochwassers gleich auf einem Damm errichtet wird und in gerader Linie quer durch das Kinzigtal verläuft“. Ein Horrorszenario, das jedoch in der Stadtverordnetenversammlung nur wenig verfing.

Und wie geht es nun weiter? Anfang November wird der Bahnübergang geschlossen. Mit dem Baubeginn für die Brücke wird nicht vor 2026 gerechnet. Der Stadt bleiben also noch einige Jahre, um zu sehen, wie sich der Wegfall des Meerholzer Landwegs wirklich auf den Verkehr im Stadtgebiet auswirkt. So lange wollen Naunheim und die BI jedoch nicht warten. „Wir müssen schon jetzt dafür sorgen, dass die Eingriffe im Inneren der Ortschaften rechtzeitig verhindert werden“, meinte die Stadtverordnete. Auf große Rückendeckung seitens des Parlaments darf sie dabei nach dem jüngsten Beschluss indes nicht hoffen.

Quelle: GNZ vom 14.10.2023, Foto: Abel