Lauter Protest und eine leise Hoffnung

Wie Bürger gegen die geplante Omegabrücke in Hailer und Meerholz vorgehen und warum der Kreis sein Vorhaben noch einmal überdenken könnte


Jonas K. Friedrich erläutert die Schritte des Planfeststellungsverfahrens. Foto:Abel

GNZ 25.7.2023 Gelnhausen-Hailer/Meerholz (mab). Für die „Bürgerinitiative zum Erhalt der K 904“ tickt die Uhr. Noch bis zum 7. August können Bedenkenträger Einwendungen gegen den geplanten Bau der Omegabrücke am Ortseingang von Hailer und Meerholz erheben. Hilfestellung im neu eröffneten Planfeststellungsverfahren hat den Brückengegnern am Freitagabend Anwalt Jonas K. Friedrich gegeben. In einer teils lebhaften Diskussion meldeten sich auch die Befürworter des umstrittenen Bauprojekts zu Wort.

Ob die Bürgerinitiative (BI) den Bau der Omegabrücke verhindern kann, ist ungewiss. Ziemlich klar sind dagegen die Schritte des entsprechenden Planfeststellungsverfahrens. „Dabei handelt es sich im Prinzip um ein großes Baugenehmigungsverfahren“, erklärte Anwalt Jonas K. Friedrich von der Hanauer Kanzlei Ludwig Wollweber und Bansch am Freitag den rund 40 Teilnehmern des zweiten Infoabends der BI im Meerholzer Anglerheim.

Angestrengt hat das Verfahren der Main-Kinzig-Kreis. Da auf der Bahnstrecke Hanau-Fulda künftig Züge mit mehr als 160 Stundenkilometern fahren, muss der bisherige schienengleiche Bahnübergang geschlossen werden. Das soll bereits zum 1. Oktober 2023 geschehen. Die Brücke soll verhindern, dass andere Verkehrsknotenpunkte überlastet werden. Bis zum 6. Juli hat das Regierungspräsidium Darmstadt (RP) die entsprechenden Planfeststellungsunterlagen öffentlich ausgelegt. Bis zum 7. August können Bürger nun Einspruch erheben. Und das sollen aus BI-Sicht möglichst viele sein.

„Jeder Bürger kann Widerspruch einlegen, unabhängig von seinem Wohnort, und dafür beliebige Gründe angeben“, sagte Friedrich. Und die sollten möglichst detailliert und substanziell sein. „Zentrale Ansatzpunkte sind Lärm, Abgase und Eigentumsbelange und die Frage nach besseren Alternativen.“ Der Anwalt hat im Auftrag der BI ein Musterschreiben erstellt, das eine ganze Reihe Argumente gegen das Bauprojekt enthält und das auf der Webseite der Initiative unter www.bahn-uebergang.de heruntergeladen werden kann.

Bedenkenträger werden zu Versammlung eingeladen

Nach Ablauf der Frist beginnt die Erörterungs-Phase, informierte der Anwalt. Dabei lädt das RP alle Personen, die Einwände erhoben haben, zu einer Versammlung ein. „Im Falle des Tesla-Werks in Brandenburg waren ganze Lagerhallen nötig, um die Teilnehmer unterzubringen.“ Auch in Hailer und Meerholz sollen aus BI-Sicht möglichst wieder Bedenkenträger zusammenkommen. In der Sitzung muss die Behörde dann auf alle vorgetragenen Einwände eingehen. „Im besten Fall werden sich alle einig, aber das ist natürlich Wunschdenken“, meinte Friedrich. Realistischer sei es, dass das RP in einigen Punkten nachbessere, bevor es den sogenannten Planfeststellungsbeschluss fasst. „In der Regel entspricht dieser Beschluss aber den Vorstellungen des Vorhabenträgers.“

Klagen können nur direkt betroffene Personen

Beendet ist das Verfahren mit dem Beschluss noch nicht. Im nächsten Schritt können die Brückengegner klagen. Aber: „Diese Möglichkeit steht allerdings nur den Personen offen, die von den Auswirkungen des Projekts direkt betroffen sind.“ Das könnten Anwohner sein, die etwa gesundheitliche Schäden durch den Lärm befürchten, oder Grundstückseigentümer, die für das Projekt enteignet werden sollen. Im Falle der Omegabrücke wären nicht nur Besitzer landwirtschaftlicher Flächen auf dem eigentlichen Baugrundstück von Enteignungen betroffen, sondern auch Anwohner des Heimatfriederings, die laut Planunterlagen einen Teil ihrer Gärten temporär und auch dauerhaft abgeben müssten, wofür sie dann Entschädigungszahlungen erhalten würden.

Noch mehr Hausbesitzer sind von den Auswirkungen des Lärms betroffen. Da die Kosten für einen Lärmschutzwall zwischen sieben und zehn Millionen Euro vom Kreis als unverhältnismäßig angesehen werden, haben Betroffene die Möglichkeit, Lärmschutzfenster auf Kosten des Projektträgers einbauen zu lassen. Das gilt auch für schallgeschützte Klimaanlagen. Konkret geht es um die Häuser, in deren Bereich sich der Verkehrslärm durch das Vorhaben verdoppeln würde.

Zurück zum Verfahren. Wenn Bürger gegen das Vorhaben klagen, muss das Gericht prüfen, ob das RP bei seiner Entscheidung inhaltliche oder verfahrenstechnische Fehler gemacht hat. Im letzteren Fall geht es auch darum, ob das Vorhaben überhaupt ausreichend begründet wurde, im ersten darum, ob das RP die Belange richtig gewichtet hat. „Da können durchaus Fehler passieren“, meinte der Anwalt. Aber: Auch wenn das Planfeststellungsverfahren keinen Bestand vor Gericht hat, ist das nicht das Aus des Bauvorhabens. Denn der Kreis könne in diesem Fall nachbessern und ein Ergänzungsverfahren anstrengen.

Eine Frage, die beim Infoabend auftauchte, war die, wie belastbar die vorgelegten Unterlagen überhaupt sind. Nicht nur ein Teilnehmer hielt beispielsweise die zugrundeliegende Verkehrsprognose für „völlig unrealistisch.“ Aktuell sind täglich rund 2 400 Autos auf der Kreisstraße zwischen Hailer/Meerholz und Lieblos unterwegs. Laut Gutachten soll sich die Zahl bis 2030 auf etwa 5 900 Fahrzeuge erhöhen. Der Kreis befürchtet, dass diese Fahrzeuge dann zu einer Überlastung der anderen Knotenpunkte wie der Westspange führen.

Kontroverse um befürchtete Zunahme von Schwerlastverkehr

„Stimmt nicht“, sagte ein Teilnehmer. „Schon jetzt ist die Straße bei Hochwasser ja oft geschlossen. Da haben wir bereits die sogenannte Nulllösung. Und an diesen Tagen sind die anderen Verkehrspunkte ja auch nicht überlastet.“ Als Nulllösung bezeichnen die Brückengegner die Variante, überhaupt keinen Ersatz für den schienengleichen Bahnübergang zu schaffen und die Kreisstraße stillzulegen. Ihre Hoffnung: Der Übergang wird ab Oktober bis zur Fertigstellung der Brücke, die frühestens 2029 in Betrieb gehen soll, ohnehin für Jahre geschlossen bleiben. Bis dahin könnten sich die Fahrer andere Wege gesucht haben. „Es ist die leise Hoffnung, dass der Kreis dann merkt, dass es auch so geht“, sagte der Anwalt. Allerdings: „Die Verkehrsprognose anzufechten, erscheint mir unrealistisch. Ich kann das natürlich nur im Hinblick auf Rechtsfehler prüfen, nicht auf inhaltliche Mängel. Aber die zuständigen Büros sind seriös.“ Gleiches gelte für die Umweltverträglichkeitsprüfung.

Dennoch gab Friedrich dem Einwand Bodo Delheys (Bürger für Gelnhausen) recht, dass die Planungen vor allem darauf abzielten, eine möglichst autogerechte Lösung für den Verkehr zu schaffen. Künftig dürften allerdings Radfahrer und Fußgänger eine größere Rolle in der kommunalen Verkehrsplanung spielen, weshalb der Kreis seine Haltung ändern könnte, wenn sich seitens der betroffenen Kommunen Protest regte, sagte der Anwalt. „Die Politik kann viel bewirken, und der Vorhabenträger kann seine Pläne jederzeit aufgeben.“

Befürworter: Straße ist wichtig für berufstätige Menschen

Aus Sicht der Befürworter des Bauprojekts wäre das keine gute Idee. „Wir hätten nur noch zwei Ausfahrten. Denken Sie doch mal daran, was das für die Leute bedeuten würde, die täglich mit dem Auto zur Arbeit fahren müssen. In Gelnhausen gibt es sechs Ausfahrten, und niemand käme auch nur im Traum darauf, zwei davon dichtzumachen“, sagte ein Besucher im Anglerheim. Und: Die von den Brückengegnern befürchtete Zunahme des Schwerlastverkehrs auf der K 904 sei unrealistisch. „Ich fahre seit 47 Jahren auf der Straße und habe in dieser Zeit vielleicht zehn echte Lastwagen gesehen“, sagte ein anderer Besucher. Ein weiterer betonte: „Lastwagenfahrer werden weiter die Westspange nutzen, dagegen sind Feuerwehr, Müllabfuhr und der Räum- und Streudienst auf die Überführung oder eine große Unterführung angewiesen.“ Gleiches gelte für die Beschäftigten im Pflegezentrum, die aus Richtung Gründau kommen.

Dagegen betonte Friedrich, dass der Kreis gerade aufgrund der vorausgesagten Zunahme des Schwerlastverkehrs um zwei bis drei Prozent eine kleine Unterführung abgelehnt habe. „Die Feuerwehr nutzt die Strecke schon heute nicht, weil die Bahnschranken zu lange geschlossen sind“, meinte BI-Sprecherin Lydia Naunheim. Dagegen werde der Schwerlastverkehr kommen, wenn die Brücke realisiert sei, da die langen Wartezeiten an der Schranke dann wegfielen. Zudem befürchtet die BI auch den nördlichen Ausbau der K 904, wenn die Brücke realisiert würde. Zwar beteuert der Kreis derzeit, dass dies nicht geplant sei. Aber: „Eine Straße für 20 Millionen nur zum Teil auszubauen, ist schlichtweg widersinnig“, sagte Naunheim. Die Initiative hatte sich in der Vergangenheit für eine kleine Unterführung stark gemacht, um Eingriffe in die Auenlandschaft zu vermeiden. Aktuell ziehen die Brückengegner die Nulllösung vor.

Deren Ziel ist es nun, möglichst viele Menschen zum Erörterungstermin zu bringen. Die Empfehlung des Anwalts: „Übernehmen Sie möglichst viele der Argumente aus dem Musterschreiben.“ Und: „Je substanzieller die Einwände sind, umso mehr wird über sie gesprochen. Deshalb nach Möglichkeit keine Punkte streichen, sondern diese noch erweitern und mit individuellen Anmerkungen versehen. Zu viel geht nicht.“ Zudem sei es empfehlenswert, wenn mehrere Mitglieder eines Haushalts jeweils eigene Einwendungsschreiben ans RP schickten.

Quelle: GNZ 25.7.2023