Leserbrief von D.Wehrsig zur Stadtverordnetenversammlung

GNZ vom 21.10.2023:


Dirk Wehrsig, Sprecher der Gruppe „Psychologists for Future Main-Kinzig“, äußert sich in einem offenen Brief zur Diskussion über die Omegabrücke in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung (GNZ vom 15. Oktober). Wir veröffentlichen sein Schreiben – leicht gekürzt – im Wortlaut:

Verantwortung jungen Menschen gegenüber

Sehr geehrte Stadtverordnete, ich bitte Sie, uns nicht mit pauschalen Argumentationen abzuspeisen, ich bitte Sie, die Argumentationen einiger Ihrer Mitglieder mit nachvollziehbaren Zahlen zu unterlegen: Wie hoch wird die CO2-Belastung durch den Bau der Omega-brücke voraussichtlich sein? Beton als Baustoff ist hoch belastend, Einsatz von Baumaschinen und LKWs über Jahre hinweg ebenfalls. Wie hoch ist demgegenüber die CO2-Belastung durch Fahrzeuge, die einen längeren Weg über die Westspange fahren müssen? Zumal die Anzahl von Verbrennerfahrzeugen bis zur voraussichtlichen Fertigstellung der Omegabrücke abnehmen wird. Wie hoch ist die CO2-Belastung durch das Fehlen von zahlreichen Alleebäumen und die Eingriffe in die Kinzigauen? Denn auch die klima- und naturfreundlichen Auswirkungen von Renaturierung und Ausgleichsprogrammen werden nicht von heute auf morgen wirksam sein, sondern müssen sich über Jahrzehnte entwickeln. Haben wir diese Zeit noch, wenn wir bis 2050 klimaneutral werden wollen/müssen? Zum Thema Kosten: Ob Kreis oder Stadt, Kosten tragen wir Bürger mit unseren Steuern. Bei der Nulllösung entstünden überhaupt keine Kosten. Finanzielle Mittel, die frei wären für notwendige Klimaschutzmaßnahmen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil 2021 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Emissionsminderungen nicht auf die Zeiträume nach 2030 verschoben werden dürfen, sondern die im Klimaschutzgesetz vereinbarten Minderungen um 55 Prozent bis 2030 eingehalten werden müssen. Übrigens: Laut Umweltbundesamt müssen wir es in Deutschland schaffen, von durchschnittlich 9,1 Tonnen Treibhausgasemissionen bis 2050 auf 1,5 Tonnen pro Person und Jahr zu kommen, um das Auslösen unumkehrbarer Kippelemente zu vermeiden. Der weitere Ausbau des Individualverkehrs ist somit kein guter Schritt zum Erhalt eines lebenswerten Planeten. Deshalb bitte ich alle Stadtverordneten, den Zeitraum bis zum voraussichtlichen Baubeginn 2026 zu nutzen und zu überlegen, wie sie ihrer Verantwortung gerade den jungen Menschen gegenüber, die mit den zukünftig nicht mehr zu verändernden, heute beschlossenen Entscheidungen leben müssen, gerecht werden. Etwas Hoffnung macht die in derselben Sitzung einstimmige Zustimmung zum Förderprogramm „Natürlicher Klimaschutz in kommunalen Gebieten im ländlichen Raum“, bei dem es unter anderem um Entsiegelung von Böden geht. Weiter so!